Teilnahme der Romanistik Würzburg an der Summer School der Universität Coimbra
15.07.2025Gelebte Mehrsprachigkeit im Herzen Portugals

Wo könnte man das 40. Jubiläum der Coimbra Group besser feiern als an ihrem Gründungsort? Vom 23. bis zum 27. Juni wurde die Universität Coimbra zum Treffpunkt für Studierende und Lehrende aus ganz Europa. Auch die Würzburger Romanistik war im Rahmen von Dozentenmobilitäten und dem Blended Intensive Programme (BIP) mit zwei Dozentinnen und fünf Studierenden bei der International Coimbra Group Summer School on European Multilingualism vertreten. Wie sich die intensive Woche zwischen Vorträgen, Unterricht, Ausflügen und kulturellem Austausch gestalteten, berichten die fünf studentischen Teilnehmenden Tag für Tag.
Montag, 23.06.2025 (Beatrice Echerer)
Unser erster Tag in Coimbra begann eigentlich schon am Vorabend: Jasmina Seifert und Lorenz Schlereth waren soeben aus Deutschland angereist, Franziska Hübner und Beatrice Echerer, die schon am Freitag angekommen waren, stießen aus Porto dazu. Das erste Kennenlernen fand im gemütlichen OAK Food, Beer & Wine statt – bei typisch portugiesischen Spezialitäten wie der vegetarischen Francesinha. Anschließend erkundeten wir noch die Stadt, besuchten also eine festliche Messe mit dem Bischof in der Sé Nova, sahen auch die Sé Velha, genossen Live-Musik und stöberten durch die Feira do Livro.
Am nächsten Morgen – nach einem schnellen Frühstück in der Unterkunft oder im Café Nicola – startete das Programm um 9 Uhr an der Universidade de Coimbra, wo wir als eine der ersten Gruppen eintrafen und den internationalen Teilnehmenden sowie Frau Goldschmitt und Frau Ellena begegneten. Um 9:30 Uhr eröffneten Vertreterinnen und Vertreter der Universität und das Organisationsteam die International Coimbra Group Summer School. Als zentrale Botschaft formulierte der Dekan der Faculdade de Letras in seiner Eröffnungsrede, dass das Ziel der Coimbra Summer School eine vielfältige und immersive Lernerfahrung sei, die durch Netzwerken, fachlichen Austausch und entstehende Freundschaften geprägt sein soll.
Besonders anregend war der anschließende Vortrag von Ilmari Ivaska (Univ. Turku) über die Aussagekraft von Pausen im Schreibprozess auf dem Weg zum Endprodukt Text, illustriert durch Beispiele aus einer Produktionsstudie von studentischen Finnisch- und Schwedisch-Lernenden. Danach genossen wir die erste von vielen exzellenten Coffee Breaks – der Tisch war reich gedeckt mit süßen und herzhaften portugiesischen Köstlichkeiten wie beispielsweise Pastéis de Nata.
Von 11:15 bis 13 Uhr arbeiteten wir in unseren unterschiedlichen Language Groups, bevor uns ein kostenloses klassisches dreigängiges Mensaessen erwartete. Im Anschluss führten uns hilfsbereite portugiesische Studierende durch die Umgebung. Am Nachmittag hörten wir einen Vortrag von Susana Bernardo zur Rolle von Übersetzung im Gesundheitswesen, gefolgt von einer spannenden Einführung ins Kurdische durch Agnes Grond (Univ. Graz). Auch Gloria Kugler, die fünfte studentische Teilnehmerin aus Würzburg, stieß im Laufe des Tages zu uns.
Den Abschluss bildete das sogenannte "Sunset"-Treffen im botanischen Garten – ein lediglich metaphorischer Sonnenuntergang mit entspannter Atmosphäre, Gesprächen und weiteren kulinarischen Genüssen. Danach zog es die Teilnehmenden in die Stadt, zum Einkaufen oder zurück in die Unterkunft – erfüllt von den vielen Eindrücken eines rundum gelungenen ersten Tages.
Dienstag, 24.06.2025 (Franziska Hübner)
Der Dienstag begann mit einem spannenden Vortrag von Frau Ellena und Frau Goldschmitt zum Thema Linguistic Landscapes: Multilingualism in Urban Public Spaces. Anhand zahlreicher Beispiele – einige direkt aus Coimbra – wurde veranschaulicht, wie Sprachen und Multilingualismus im öffentlichen Raum sichtbar werden und welche Aussagen sich daraus über gesellschaftliche Strukturen und Identitäten ableiten lassen. Zudem gaben die beiden Einblicke in frühere und aktuelle Linguistic-Landscape-Projekte der Universität Würzburg, unter anderem im Rahmen einer Exkursion nach Korsika im letzten Jahr.
Im Anschluss folgte ein Beitrag von Anamaria Grecu Gheorghiu der Universität Iași unter dem Titel Artificial Intelligence in Language Education: A Focus on Romanian. Neben einem kurzen Überblick über morphologische und phonetische Aspekte des Rumänischen ging sie vor allem auf kulturelle Aspekte und Erwartungen beim L2-Spracherwerb des Rumänischen und damit verbundene Herausforderungen ein. Besonders interessant war die Vorstellung eines KI-gestützten Analyseverfahrens des Films Nunta Mută (The Silent Wedding), bei dem unter anderem kulturelle Lexeme und landesspezifische Kommunikationsformen näher beleuchtet wurden.
Nach der Stärkung in der Mittagspause – inklusive beeindruckendem Blick auf Coimbra vom Gelände der Architektur-Fakultät – ging es weiter mit dem Vortrag von Clara Keating (Universidade de Coimbra) mit dem Titel Migrant students as multilingual citizens: sociolinguistic and discursive entanglements in a Coimbra higher education context. Anhand von Interviews mit Studierenden der Universität Coimbra wurde die (Un-)Sichtbarkeit von Sprachen und Kulturen an der Universität thematisiert sowie auf Herausforderungen und Potenziale im Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit im universitären Kontext eingegangen. Den Abschluss des fachlichen Programms bildete eine Einführung ins Romani durch Marco Forlano von der Universität Pavia. Dabei erhielten wir einen Einblick in die Morphologie, Syntax sowie die große Vielfalt an Varietäten dieser Sprache, ergänzt durch soziolinguistische Hintergründe.
Den Tag ließen wir gemeinsam mit Studierenden der anderen Partneruniversitäten am Séminario Maior de Coimbra ausklingen, wo wir bei einem stimmungsvollen Sonnenuntergang in entspannter Atmosphäre den Tag Revue passieren ließen.
Mittwoch, 25.06.2025 (Gloria Kugler)
Der Mittwoch war der abwechslungsreichste Tag der Woche, da wir statt der Vorträge und Sprachkurse einen Ausflug unternahmen. Unser Ziel: Idanha-a-Velha und Monsanto – zwei Orte, die wie kaum andere das kulturelle und landschaftliche Erbe Portugals verkörpern.
Nach einer etwa zweieinhalbstündigen Busfahrt erreichten wir unser erstes Ziel. Dort starteten wir mit einer Führung durch Idanha-a-Velha, eine kleine, aber geschichtsträchtige Ortschaft, deren Wurzeln bis in die römische Zeit zurückreichen. Bei einem Rundgang durch die Ruinen, die Kathedrale und das alte Stadtzentrum erhielten wir spannende Einblicke in die wechselvolle Geschichte der Region – von der Römerzeit über die westgotische Besiedlung bis hin zur mittelalterlichen Nutzung. Anschließend ging es weiter nach Monsanto, das nicht umsonst als eines der "schönsten Dörfer Portugals" bekannt ist. Dort erwartete uns ein kulinarisches Highlight: ein traditionelles viergängiges Mittagessen, zubereitet von der Show-Köchin Maria Caldeira de Sousa. Sie begeisterte uns nicht nur mit den Aromen der portugiesischen Küche, sondern auch mit Erzählungen zu Herkunft und Zubereitung der Speisen.
Den Abschluss bildete eine Wanderung zu den Ruinen oberhalb des Dorfes. Die Mühe des Aufstiegs wurde mit einem spektakulären Ausblick auf die umliegende Landschaft belohnt. Ein Tag voller Geschichte, Kultur, gutem Essen und gemeinsamer Erlebnisse – und eine gute Gelegenheit, die anderen Teilnehmenden besser kennenzulernen und außerhalb des Uni-Kontexts ins Gespräch zu kommen.
Donnerstag, 26.06.2025 (Lorenz Schlereth)
Nach der Vortragspause am Mittwoch, haben sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Tag darauf wieder im Anfiteatro III in der Faculdade de Letras zusammengefunden, um weitere interessante Themen zu hören und spannende Eindrücke zu gewinnen. Den Start machte Agnes Grond von der Universität Graz mit ihrem Vortrag zu Small Scale Multilingualism. Hier wurde besonders das senegalesische Dorf Agnack Grand in den Fokus gerückt und die dort vorhandene Sprachenvielfalt, darunter zum Beispiel Wolof oder Mandinka, thematisiert. Anschließend übernahm María Olímpia Especiosa von der Universität Coimbra das Wort und präsentierte uns die Plattform MONDAECUS. Dabei handelt es sich um eine kollaborative Übersetzungsplattform innerhalb der OPERAS-Mehrsprachigkeit. Letzteres bezeichnet eine Forschungsinfrastruktur zur Unterstützung der offenen wissenschaftlichen Kommunikation in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Daraufhin ging es für die Teilnehmenden in ihre jeweiligen Sprach-Workshops. Im Spanisch-Kurs wurde die musikalische Prägung des Tages eröffnet. Dort hörten wir das Lied 39 grados von Quique González und sammelten dabei Vokabular rund um das Thema "Sommer". Glücklicherweise waren die von González besungenen Temperaturen in Coimbra deutlich angenehmer und dennoch sommerlich. Gestärkt vom Essen in der cantina starteten wir den zweiten Teil des Tages. Vorab halfen wir Würzburger aber noch einer finnischen Teilnehmerin. Sie studiert Deutsch an ihrer Heimatuniversität und hatte den Auftrag, ein paar Fragen rund ums Studieren in Deutschland an deutsche Kommilitoninnen und Kommilitonen zu richten und die Interviews als Audiodateien aufzunehmen. Da hat sich eine internationale Veranstaltung wie das BIP in Coimbra natürlich als optimale Gelegenheit angeboten.
Nach der Mittagspause ging es musikalisch weiter. Nádia Moura und Simão Mota ließen uns in die traditionelle portugiesische Musik eintauchen. Sie erwähnten, dass schon wenige Jahrhunderte nach den Anfängen der Universität in Coimbra, vor allem ab dem 16. Jahrhundert, die Studenten in den Straßen musizierten, worüber der damalige König João III. nicht besonders begeistert war. Zwischen den Erklärungen zu Protestliedern der portugiesischen Studenten, zum bedeutenden Musiker Carlos Paredes und dem typisch portugiesischen Fado-Gesang beeindruckten Nádia und Simão immer wieder mit musikalischen Einlagen – Nádia am Saxophon und Simão an der portugiesischen Gitarre. Am Schluss hat sich Franziska sogar erfolgreich an der traditionellen Gitarre versucht und ein paar Fado-Klänge gespielt.
Dober dan! Zum Abschluss des Donnerstags gab uns Sanja Bošković von der Universität Poitiers eine kleine Einführung in die serbo-kroatische Sprache. Durch eine interaktive Gestaltung, in der die Teilnehmenden kleine Begrüßungen nachsprechen und wichtige Wörter lernten, ist man nun für einen Besuch in Ländern wie Kroatien, Serbien oder Montenegro gewappnet. Doch bloß nicht sofort – ein letzter Tag in Coimbra blieb uns noch!
Freitag, 27.06.2025 (Jasmina Seifert)
Der letzte Tag der Summer School startete mit dem Vortrag Cross-border languages: a journey through Europe von Manuel Aragón Ruiz-Roso (Universität Salamanca). Hierbei wurden Sprachen vorgestellt, die in den Grenzgebieten europäischer Länder gesprochen werden und meist nicht offiziell anerkannt sind und nicht von der Sprachpolitik erfasst werden, wie beispielsweise das Mirandesische oder Barranquenho an der spanisch-portugiesischen Grenze. Anschließend folgte der Beitrag Silent Syntax: the Inner Speech of AI Algorithm von Pedro Martins von der Universität Coimbra. In diesem Vortrag wurde die Funktionsweise von LLMs (Large Language Models wie beispielsweise GPT) erläutert. Ebenso wurde die Notwendigkeit einer KI aufgezeigt, bei der der Mensch im Zentrum steht, das heißt, einer KI, bei der alle Prozesse bis zum Output transparent sind und so für alle Nutzer überprüfbar gemacht werden können und mit der eine natürliche Interaktion möglich ist.
Nach einer kurzen Kaffeepause teilte sich die Gruppe für den letzten Workshop auf. Die Italienisch-Gruppe lernte etwas über Italianismen in der Welt, die sich vor allem in bestimmten semantischen Feldern wie Gastronomie, Kunst, Musik oder Bankwesen finden lassen. Nach dem Mittagessen in der Mensa folgte ein weiterer interessanter Vortrag der Universität Coimbra: From dictionary use habits to ideologies: insights from a survey of Portuguese speakers von Tanara Kuhn. Sie stellte ein Projekt vor, das zum Ziel hat, ein plurizentrisches Portugiesisch-Wörterbuch zu schaffen. Hierfür definierte sie mithilfe einer groß angelegten Umfrage zahlreichen lusophonen Ländern zunächst die Zielgruppe eines solchen Wörterbuches. Dabei wurde deutlich, dass sich viele Portugiesischsprecher ein Wörterbuch wünschen, dass auch Varietäten des Portugiesischen enthält und diese klar markiert, um die plurizentrische und dynamische Norm dieser Sprache besser abzubilden.
Zuletzt frischten wie unsere Portugiesisch-Kenntnisse mit einer Einführung ins Portugiesische von Anabela Fernandes und Rui Abel Pereira auf. Nach einer kurzen Darstellung des Status, der Herkunft und der Varietäten des Portugiesischen beschäftigten wir uns mit der Aussprache der wichtigsten Laute und trainierten in einer Gruppenaufgabe unser Wortschatz- und Grammatikverständnis.
Wir beendeten den Tag und die Summer School im Colégio da Trindade. Nach der Vergabe der Teilnahmezertifikate an die Studierenden und Dozierenden wurden wir noch einmal mit einem leckeren Büfett verköstigt. Anschließend trennten sich die Wege, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Coimbra Summer School machten sich mit unvergesslichen Erinnerungen und zahlreichen neuen Bekanntschaften und Eindrücken auf den Weg nach Hause. Einige machten noch einen gemeinsamen Spaziergang durch die Altstadt, um Souvenirs zu kaufen, setzten sich an den Fluss Mondego oder trafen sich zum Essen, um den Abend gemeinsam ausklingen zu lassen.
Die Woche in Coimbra hat uns gezeigt, wie europäische Mehrsprachigkeit im Austausch, im Alltag und im akademischen Diskurs gelebt werden kann – verbunden mit der Einsicht, dass Sprachen nicht trennen, sondern verbinden. Für die sieben Teilnehmenden aus Würzburg war es eine bereichernde Erfahrung, die weit über den Seminarraum hinauswirkte.